Willkommen auf der ARCHIV-Seite des Bullinger-Jubliäums vom Jahre 2004
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Mennoniten heute - verwurzelt in aller Welt

Beitrag 14: Mennoniten heute

Konferenz: Zeugnisse aus Vergangenheit und Gegenwart

Ursprünglich nur in Europa, sind die Mennoniten heute auf der ganzen Welt zuhause. Seit die Bewegung damals 1525 in Zürich mit Manz und Grebel begann sind sie unterwegs, im Spannungsfeld zwischen Verwurzelung und Aufbruch. Ich nehme in meinen Beitrag in 7 kurzen Teilen Bezug auf die jüngste Vollversammlung der Mennonitischen Weltkonferenz in Bulawayo, Simbabwe und auf die eben erschienene Publikation und Ausstellung „In God’s Image - a global Anabaptist Family“ von Ray Dirk.

1. Vom Norden und Westen in den Osten und Süden

Die Globalisierung schreitet auch in den Kirchen weiter voran. Vor rund 100 Jahren waren an einer grossen Konferenz zur Weltmission in Edinburgh, Schottland vor allem Europäer und Nordamerikaner vertreten, nur wenige Lateinamerikaner, Asiaten und kein einziger Afrikaner. Damals wurde die Welt in zwei Teile geteilt, der christianisierte Westen und der Rest der Welt. 80 % der Christen lebten zu dieser Zeit in Europa und Nordamerika. Aber diese Situation hat sich total verändert. Heute leben weniger als 40 % der Christen in diesen Erdteilen. Und über 60 % in Asien, Afrika und Lateinamerika. Und dieses Wachstum geht rasant weiter. Diese Entwicklungen teilen auch die Mennoniten mit ihren Geschwistern anderer Kirchen. Trotz allen negativen Schlagzeilen der letzten Jahrzehnte wachsen die Gemeinden vieler Denominationen. Das weitaus stärkste Wachstum verzeichnen unsere Gemeinden in Afrika: In den letzten 25 Jahren wuchs die Zahl von 80'000 auf 450'000 Mitglieder. Im gleichen Zeitraum nahmen in Europa die Mitgliederzahlen hingegen von 96'000 auf 53'000 Geschwister ab. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Hauptverbreitungsgebiete der Christen vom Westen und Norden in den Osten und vor allem in den Süden wandern.

2. Auf der ganzen Erde zuhause

Unsere Gemeinschaft hat seit dem 19. Jahrhundert ähnliche Entwicklungen durchgemacht wie andere christliche Kirchen. Um 1850 waren wir in bloss acht Ländern auf der Nordhalbkugel zuhause. Heute leben unsere Schwestern und Brüder in über 66 Ländern. Unsere Gemeinschaft, als täuferischer Zweig am grossen Baum der Welt-Christenheit hat seit der Entstehung hier im Norden Europas Wege gefunden in über hundert verschiedene Kulturen. Weltweit zählen wir 1,3 Millionen getaufte Mitglieder (Mennoniten, Hutterer, Amische). Diese vertreten eine Gemeinschaft von rund zwei Millionen Menschen, die mindestens 75 Sprachen sprechen, in 13'000 lokalen Gemeinden oder Kirchen zusammenkommen und sich zu 200 meist nationalen Konferenzen zusammengeschlossen haben. Eine immer grössere Anzahl von ihnen ist in Afrika, Asien und Lateinamerika zuhause.

Damit einher geht auch eine Entwicklung, die uns im Norden nachdenklich stimmt. Die Kirche wächst vor allem in den materiell weniger begüterten Ländern.

3. Von allen Enden der Welt zum Familientreffen

Ein eindrückliches, buntes Fest erlebten alle, die an der Vollversammlung der Mennonitischen Weltkonferenz in Bulawayo, Simbabwe teilgenommen haben. Etwa alle sechs Jahre findet ein solches weltumspannendes Treffen statt. Das erste war 1925 in Basel, das letzte 2003 in Bulawayo, Simbabwe, erstmals in Afrika. Jeder Tag des Treffens wurde von einem andern Kontinent gestaltet. „Gaben teilen in Freude und Leid“ nach Korinther 12 lautete das Thema. Die neun Tage in Simbabwe waren für mich ein eindrückliches Erlebnis der Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg. Wir waren wie eine grosse Familie. Da wurde Raum geboten zum Feiern mitten in der Not vor Ort (Hunger, Aids).

Es fällt auf, dass die Gottesdienste aus dem Süden weit lebendiger waren, geprägt von mehr Bewegung, Enthusiasmus, Tanz und Liedern. Fantastisch ist auch wie diese Kirchen zuhause sind in der Welt des Bibel und die Geschichten lebendig sind. Vielen scheint die Botschaft der Bibel von Ihren Lebensumständen her näher zu sein als uns. Für viele sind Themen wie Armut, Leiden, Unterdrückung und Exil unmittelbar nachvollziehbar. (Etwa wie bei den Täufern des 16. Jahrhunderts?) Viele von ihnen sehen Parallelen zwischen ihrem täglichen Leben und den Seligpreisungen Jesu.

4. Gelebte Botschaften und gemeinsame Projekte

Ja – was haben denn die Mennoniten des Nordens und Südens noch gemeinsam? Können die älteren und jüngeren Geschwister der Familie miteinander verbunden bleiben oder wird es in Zukunft geteilte Familiengemeinschaften geben?
Viele kennen sich nicht? Was verbindet, was trennt uns? Dies sind Fragen, die wir uns nicht bloss als weltweite Gemeinschaft stellen, auch regionale Kirchen stellen sich solche Fragen. Wir arbeiten gemeinsam an den Antworten. Wie wir mit diesen und auch andern Fragen umgehen prägt unser Zeugnis.
Auch die Botschaft der Täufer prägt uns, sie ist aktueller denn je. Hanspeter Jecker hat die täuferischen Akzentsetzungen skizziert: Gelassenheit und Versöhnung statt Gewalt ist eine der heilvollsten, aber schwierigsten Antworten auf die aktuellen Herausforderungen der Welt. Im Vertrauen auf Gott und die Geschwister wollen uns ihr stellen. In die grosse christliche Familie möchten wir als Täufer Folgendes einzubringen: Den einfachen Lebensstil der Amischen, das Teilen von Gütern der Hutterer und das Friedenstiften der Mennoniten.
Diese Grundanliegen nehmen wir auch in Projekten der mennonitischen Weltkonferenz auf. Es sind Projekte zum weltweiten teilen von:
- Gaben und Ressourcen, auch Finanziellen
- Geschichte und Geschichten, Publikationen zu allen Kontinenten
- Gemeinschaft (Weltgemeinschaftssonntag)
- Jugendprojekten, Nothilfe, Kriseninterventioen, Mission, etc.

5. Unser Weg geht weiter

Die Mitglieder der Gremien der MWK haben in Simbabwe beschlossen, dass sie eine teilende Gemeinschaft (eine Koinonia) täuferischer und verwandter Gemeinden sein wollen. Wir wollen den Glauben teilen, voneinander lernen. Zusammenwachsen. Überzeugungen austauschen. Gaben teilen. Wege gehen. Als weltweite Gemeinschaft die mit vielen andern Kirchen und Gemeinschaften am Reich Gottes arbeitet, verstehen wir uns. Wir sind nur eine kleine Gemeinschaft, aber wir wollen den Auftrag, mit dem Gott uns auf die Strassen und in die Häuser dieser Welt schickt, annehmen und ihm Folge leisten. Die Weltkonferenz will beides die Mennonitengemeinden verbinden und die Verbindung mit andern Weltkirchen suchen, pflegen und beleben.

6. Gemeinsam unterwegs, auf dem Weg nach innen und aussen

Wir alle brauchen den Andern, den nahen und den fernen Weggefährten, denn ausgesendet auf die Strassen dieser Welt sind wir alle. Vergessen wir nicht, die Täufer waren Beweger und Fortschrittler in der Kirchengeschichte – sie sind es auch heute, in der aktuellen Geschichte, in der Gegenwart. „Was gibt es glaubwürdigeres als wenn Notleidende sagen: „Sie kommen als erste und gehen als letzte.“ Oder Eine Stimme aus der Ukraine: Gott hat unsere Gebet erhört und durch Euch in unserer Not geholfen.“

Nicht als blosse Macher, nein in guter Balance zwischen Aktion, dem Weg nach aussen und Kontemplation, dem Weg nach innen. Voller Gelassenheit weil wir keine Angst haben müssen.
Wir wollen uns am Horizont Gottes orientieren und helfen, Zeichen der Versöhnung zu setzen in einer Welt, die sich danach sehnt.

Gott ist ein Gott der ganzen Erde. Zuständig für alle Bedürfnisse. Das möchten wir durch unsere Gemeinschaft zum Ausdruck bringen. Die Weltkonferenz MWK und auch das Hilfswerk MCC sind für mich glaubwürdige Netzwerke, die uns helfen Brücken zu schlagen zu Geschwistern in aller Welt, inner- und ausserhalb von Kirchen. Diese Netzwerke sind auch Zeichen einer guten Globalisierung als Vorboten des anbrechenden Reiches Gottes.

7. Ein Buch das Einblick gibt und einlädt

Nun komme ich zurück zum anfangs zitierten Buch. Dieses Buch gewährt Einblicke in das Leben von Mennoniten in der ganzen Welt. Damit wollen wir unsere Verbundenheit mit dem Schöpfer, den Menschen und de erde, auf der wir leben zum Ausdruck bringen.

Übergabe des Buches „In God’s Image A global Anabaptist Family“ als Zeichen der weltweiten Verbundenheit: Wir wollen unser Leben, unsere Welten und unseren Auftrag teilen mit Euch.
Übergabe an: Christof Sigrist, Ruedi Reich, Thomas Wipf, Setry Nyomi.
Durch: Larry Miller (Frankreich/USA), Charly Lukula (Kongo), Kathiana Sempertegui (Bolivien), Markus Rediger.

Markus Rediger,
Mitglied Exekutiv-Komitee Mennonitische Weltkonferenz seit 2003, von 1992 -2002 Präsident der Konferenz der Mennoniten der Schweiz,
Münsingen-Bern

E-Mail: rediger@lid.ch
Internet Mennonitische Weltkonferenz: www.mwc-cmm.org